Internationale Wirtschaftsbeziehungen im Zeichen der Pandemie und des Russisch-Ukrainischen Krieges – von Offenheit, Ehrlichkeit und Vertrauen

Der dritte Tag der China Woche 2022 stand unter dem Fokus der internationalen Wirtschaftsbeziehungen und konnte mit einem Programm punkten, bei dem Hans-Peter Friedrich, Vorsitzender der deutsch-chinesischen Parlamentariergruppe im Bundestag, angesichts „der geballten Kompetenz“ vor Neid erblasse und jeden beneide, der das „alles inhalieren“ könne. Moderiert wurde der heutige Tag von Prof. Dr. Heike Schenk-Mathes, Vizepräsidentin für Gleichstellung und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, die zu Beginn wichtige Kennzahlen zu den Wirtschaftsbeziehungen referiert. Obgleich die Öffnung des chinesischen Marktes als Erfolg zu sehen sei, gäbe es aus deutscher Sicht jedoch noch einige Hindernisse, die überwundern werden müssen, um die gegenseitigen Beziehungen nachhaltiger gestalten zu können.

Eine wichtige Plattform – auch vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen – sei laut Dr. Oliver Blume, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG, der Dr. Ing. h. c. Porsche AG sowie ehemaliger Doktorand von Prof. WAN Gang, dabei die China Woche der TU Clausthal. Ähnlich wie die TU Clausthal, verbindet auch die Volkswagen AG eine lange Tradition mit China. Dabei setze man sich bei VW laut Dr. Blume für den Ausbau des Dialogs mit China, für offene Grenzen und eine freie Marktwirtschaft ein, wobei der Austausch durchaus kritisch aber nie ideologisch sein dürfe.

In diesem Zusammenhang gibt Prof. Dr. Thomas Heberer des Institute of East Asian Studies der Universität Duisburg-Essen zu bedenken, dass „China ein Land mit 1.000 Systemen“ sei, die je nach Provinz bzw. Stadt-Land sehr unterschiedlich ausfallen können. Obgleich auch er die Dialogbereitschaft für wichtig erachte, spiele die Dialogkompetenz, d.h. die Fähigkeit dem Gegenüber auch einmal zuzuhören und Fragen über die gemeinsame Zukunft zu stellen, die entscheidendere Rolle. Zur Verdeutlichung zitiert er den Historiker und Sinologen John K. Fairbanks, wonach der Versuch, China ohne erhebliche Kenntnisse der chinesischen Geschichte verstehen zu wollen, einem Blindflug über dem Gebirge gleiche.

Prof. Dr. Helwig Schmidt-Glintzer, Direktor des China Centrum Tübingen der Universität Tübingen, greift die Worte Heberers auf und ergänzt, dass man nicht nur die Historie des Landes, sondern auch die eigene mit einbeziehen müsse, um China verstehen zu können. Hinsichtlich der neuen Herausforderungen müsse man den Umgang mit China neu justieren und weltwirtschaftliche Lieferketten neu überdenken. Bequemlichkeit und Profitinteresse würden in diesem Zusammenhang nur zur Abhängigkeit führen. Aus dieser Position könne man dann nicht klagend den Zeigefinger über andere erheben. Man könne nicht erwarten oder sich gar wünschen, dass alle so werden, wie wir [Deutschen]. Die Erde wird den westlichen Lebensstil nicht für alle ertragen, weshalb man sich auch innerhalb der EU die Frage stellen müsse, wie man mit der Energiekrise umgeht – mit mehr Pullovern und weniger Heizung?!

Die Perspektive für die Zukunft müsse laut Dr. ZHOU Xiang-Qian, Co-Founder von IWC/GIC lauten „Gemeinsam sind wir stark.“ Die deutsch-chinesische Kooperationen könne durchaus Fortschritte für beide Seiten mit sich bringen. Die wichtigste Botschaft sei dabei „Menschen machen Geschäfte“ und gute Partnerschaften sind wichtiger als Profit. Zur Überbrückung der Unterschiede zwischen den verschiedenen Systemen müsse eine gemeinsame Basis geschaffen bzw. gefunden werden, die auf gemeinsamen Wertvorstellungen, rücksichtsvoller Entscheidungsmoral sowie Vertrauen aufbaut.

Ein gutes Beispiel für eine gelungene Zusammenarbeit liefert an dieser Stelle Herr CHANG Qing, CEO of CARIAD’s subsidiary in China. Obgleich er sich eine Beschleunigung der von Dr. Blume angesprochenen Transformation des Volkswagen Konzerns wünschen würde, begrüßt er die Bemühungen sich mit neuen Lösungen und der Mission „aus China für China“ an den lokalen Markt anzupassen.

Das bereits an den zwei vorherigen Veranstaltungstagen angesprochene Thema der Menschenrechte in Zusammenhang mit Korea sorgt noch einmal für einen Zuwachs der Teilnehmendenzahlen, sowohl in der Aula Academica als auch online mit über 40 zugeschalteten Gästen. In seinem Vortrag stellt Prof. Dr. Gunter Schubert von der Universität Tübingen die Frage, „Wie gefährlich ist die Lage in der Taiwanstraße?“. Es handle sich um einen sehr komplexen Konflikt, in dem Taiwan eine symbolische Bedeutung für Widerstand und Autokratie einnehmen würde. Eine Einschätzung zu den verschiedenen Zukunftsszenarien erlaubt er sich dennoch nicht und bilanziert: Eine militärische Konfrontation sei in den nächsten Jahren, abhängig vom politischen Klima und der innenpolitischen Entwicklung Chinas nicht als unrealistisches Szenario zu betrachten - sie müsse aber nicht kommen.

Prof. Dr. Ole Döring, Foreign Studies College of Hunan Normal University, Changsha und Institut für Technik-Zukünfte am KIT, gibt in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass es der Presse (und teilweise auch der Politik) oftmals an Kompetenz mangeln würde, um angemessen über den politischen Prozess in China berichten zu können. Es fehle an der China-Kompetenz, die China-Kompetenz auch zu erkennen, denn „idiotischer kann man keine Chancen vertun“, als das Schaufenster, das China bietet, nicht zu nutzen. Er appelliert auch daran, mit „unserer China-Sprache“ aufzuräumen. Die Worte sollten so verstanden werden, wie sie gemeint sind und nicht so, wie wir sie vor unserem Erfahrungshorizont her interpretieren würden. Es habe keinen Wert über Werte zu streiten. Auch hier müsse die richtige Sprache gefunden werden, wobei echtes Interesse und Nüchternheit die Grundlage für ein realistisches Chinabild bieten würden.

Die abschließende Podiumsdiskussion bringt es noch einmal auf den Punkt: Der Dialog mit China und insbesondere der persönliche Austausch sind und bleiben wichtig. Allerdings ist hierzu eine entsprechende Kompetenz notwendig - man dürfe dabei nicht nur über Unterschiede sprechen, sondern müsse auch die Gemeinsamkeiten berücksichtigen. Für die wirtschaftliche Zusammenarbeit bedeutet dies, dass die Zusammenarbeit mit China bspw. nicht durch zusätzliche Regelwerke erschwert werden sollte. Man liefe sonst Gefahr sich selbst abzuschotten, wodurch wiederum der Austausch von Ideen und neuem Wissen stark gehindert werde. Grundsätzlich würden Unternehmen aus Deutschland in China einen Vorteil durch das positive Image „Made in Germany“ genießen. Am fehlenden Verständnis für chinesische Prozesse müsse allerdings gearbeitet werden. Dieses gemeinsame und gegenseitige Verständnis sollte schließlich basieren auf Offenheit, Ehrlichkeit und Vertrauen als elementare Mittel der Völkerverständigung.

Foto:China- Kompetenzzentrum

Foto:China- Kompetenzzentrum