Er freue sich auf eine „bunte Palette unterschiedlicher und kontroverser Themen“ und beginnt seine Ausführungen mit dem 50. Jahrestag der deutsch-chinesischen diplomatischen Beziehungen sowie der Entwicklung der deutsch-chinesischen Handelsbeziehungen. Niedersachsen sei das erste Bundesland gewesen, dass sich um direkte Beziehungen und Kooperationen zur VR China bemüht habe. Die Verbindung zur Provinz Anhui bestünde bereits seit 1984. Die heutzutage kritischen Stimmen, die vor einer zu starken Abhängigkeit von China warnen, würden sich vor allem auf die Unterschiede zwischen den Regierungen und Systemen beziehen, nicht aber auf das Verhältnis zwischen den Völkern. Aus diesem Grund sollten die Deutschen ihr Wissen über ihre Partner in China nicht nur auf die Kultur und die Sprache beschränken, sondern sie sollten auch die institutionellen Rahmenbedingungen und politischen Strukturen gut kennen, um nachhaltige Partnerschaften zu bilden. Zudem seien die Chinesen pragmatisch, willensstark und treiben Innovationen mit groß ausgelegter Finanzierung und Konsortien aus Wissenschaft und Industrie voran. Als Symbol für diesen Aufschwung sieht Prof. Dr. Hanschke die Skyline von Shanghai, wo jedes Jahr ein neues Gebäude entsteht.
Daran anknüpfend veranschaulicht Prof. Dr. Hou, was trotz Corona-Pandemie an der TU Clausthal für China-Aktivitäten initiiert werden konnten. Bevor er jedoch mit seinem Vortrag beginnt, verkündet er drei gute Nachrichten, die ihn kürzlich erreicht haben:
1) Die Aufhebung vieler Corona-Beschränkungen in China, die die Einreise für Ausländer*innen spürbar erleichtern werden,
2) die Finanzierung des China-Kompetenzzentrums für weitere drei Jahre durch das Präsidium der TU Clausthal, sodass auch zukünftig China Wochen ausgerichtet werden können, und
3) die Genehmigung des Folgeantrags zum CDIHK-Projekt durch den DAAD für zwei Jahre.
Die Nutzung hybrider bzw. digitaler Kommunikationskanäle habe insbesondere im Hinblick auf die Durchführung der China Woche positive Effekte erzielen können. Neben den vielen hochrangigen Beitragenden und der hohen Anzahl an zugeschalteten Gästen aus der ganzen Welt, könne sowohl eine Zunahme der Beiträge als auch eine Stabilisierung der Themenschwerpunkte in den Bereichen Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Kultur festgestellt werden. Und obgleich der persönliche Austausch während der Corona-Pandemie gelitten habe, hätten diverse Aktivitäten, wie gemeinsame Kooperationsprojekte oder deutsch-chinesische Veranstaltungen, realisiert werden können.
Bereits zum dritten Mal beteiligt sich Prof. Dr. Hendrik Lackner von der Hochschule Osnabrück an der China Woche und berichtet per Videobotschaft über das 15. Deutsch-Chinesische Symposium zur anwendungsorientierten Hochschulbildung im September 2022. Ähnlich wie die China Woche wurde das Symposium in einem hybriden Format durchgeführt und diene als zentrales Austauschformat für die Hochschulzusammenarbeit beider Regionen.
Den Bedarf an hybriden Formaten, der durch die China Woche der TU Clausthal und das Symposium der Hochschule Osnabrück bereits auf eindrucksvolle Art und Weise herausgestellt wurde, veranschaulicht Prof. Dr. Georg Gesk der Universität Osnabrück noch einmal in seinem Beitrag „Hybride Formen der akademischen Zusammenarbeit China – Deutschland“. Die Vorstellung, dass „wir [in Europa] der Nabel der Welt sind“, könne als Kommunikationshemmnis verstanden werden, „wenn wir Europa verlassen“. Es wäre in diesem Zusammenhang allerdings fatal, die Kooperation zu beenden, nur weil man sich gegenseitig nicht mehr besuchen könne. An dieser Stelle sollte man auf das hybride Format zurückgreifen, um in anderen Strukturen und Wertemustern zu denken. Es gäbe jedoch Grenzen, die zu berücksichtigen seien und auch nicht unbedingt durch hybride Formate aufgelöst werden könnten. Beispielsweise ersetze ein hybrides Meeting kein gemeinsames Abendessen, sodass sich die Herstellung einer „emotionalen Grundstimmung“ eher schwierig gestaltet. Dennoch appelliert er am Ende seines Vortrags: „Seien Sie mutig“ - es braucht nur eine positive Grundhaltung und die Motivation, um etwas Neues auszuprobieren.
Ein Vortrag, der besondere Anerkennung verdient und sowohl im Chat von den online zugeschalteten Teilnehmenden als auch den Anwesenden in der Aula Academica hoch gelobt wird, wird von Prof. Dr. Michael H. Breitner von der Leibniz Universität Hannover gehalten. Sein „nicht-eurozentrischer Blick“ auf die Welt und sein Ansatz zu den unterschiedlichen Kulturen sei „besser als der von Huntington“. Als Europäer*in könne man sich viel von der herrschenden Fairness, der gegenseitigen Wertschätzung und den langfristigen Visionen, die in China allgegenwärtig sind, abschauen. Als Wissenschaftler*in müsse man versuchen, andere Normensysteme zu verstehen. So könne man die politische Führung in China auch als positiv empfinden, da sie für Wohlstand sorge und Fortschritt ermögliche. Es sollte deshalb ein Bewusstsein dafür vorliegen, dass der Austausch auch die Änderung von Werten mit sich bringen könne. Dazu sollten Anreize gesetzt werden, die staats- und gesellschaftsübergreifende Kooperationen unterstützen und die Zusammenarbeit fördern, wobei auch unerwünschtes Verhalten benannt und angesprochen werden müsse. Bilanzierend sollte man „zu einem Denken kommen – einem Denken im Kreislauf“ und „Chinesen kennenlernen, China kennenlernen“. Für zukünftige Kooperationen schlägt Prof. Dr. Breitner insgesamt drei Schritte vor:
1.) Verstehen, 2.) Win-Win-Situation identifizieren und 3.) Tolerieren, dass in China Dinge anders gedacht werden als bei uns.
Die zwei letzten Vorträge des Workshops fokussieren schließlich den Themenbereich der Gesundheit in Zusammenarbeit mit China. So referiert Prof. Dr. Hanschke über digitale Lösungen in Form von KI im chinesischen Gesundheitssystem. China sei nicht nur offener gegenüber neuen Technologien, sondern verfüge auch über hochqualifizierte Wissenschaftler*innen und würde Europa in diesem Bereich zum Teil bereits übertreffen. In Deutschland wäre man einfach zu langsam und nicht mutig genug, um neue Produkte ggf. auch im Markt reifen zu lassen. Außerdem haben wir in Deutschland eine der schwächsten Datennetzte im EU Vergleich und leiden unter hohen Stromkosten, so dass „Rechenzentren am liebsten auswandern würden“. Dadurch wäre der „Copy-Shop China“ inzwischen zum Vorbild geworden: „It´s time to copy China“.
Daran schließt der Beitrag von Dr. med. ZHONG Wenjun zur Stärke der Traditionellen Chinesischen Medizin an. Er wäre gerne Brückenbauer, nicht Mauerbauer, weshalb er den Kontrast zwischen der traditionellen chinesischen und der Schulmedizin - und nicht den Konflikt - aufzeigen möchte. Es ginge vor allem darum, ein gesundes Mittelmaß zu finden und auf die natürliche Regulation zu zählen. Es wird davon ausgegangen, dass viele Dinge von Natur aus passieren und kein Eingreifen erforderlich machen. Sofern man innerlich ausgeglichen sei, würden sich Gesundheit und Glücklichkeit von alleine regulieren, wozu er folgende Metapher nutzt: Unser Leben sei wie ein Theater und unser Körper die Bühne, der Geist der Regisseur und unsere Seele der Schauspieler.
Zusammenfassend kann die China Woche 2022, die in diesem Jahr ihr 5-jähriges Jubiläum feierte, und mit exzellenten Beiträgen und zum Teil über 3.600 Gästen glänzte, als Erfolg für die deutsch-chinesische Zusammenarbeit gesehen werden. Neben dem in den vergangenen zwei Jahren oftmals betonten Zusammenhalt ist es laut den Beteiligten nun wichtig, wieder in den Dialog zu treten. Dabei gilt es, ein Verständnis für die jeweils andere Kultur zu entwickeln, die vor allem auf Ehrlichkeit und Vertrauen basiert. So würden die aktuellen, globalen Herausforderungen uns alle betreffen und eine enge Zusammenarbeit erforderlich machen. Gleichzeitig müsse man auch die uns trennenden Themen ansprechen können, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Es fehle noch an mehr Entschlossenheit auf beiden Seiten, um die gemeinsamen Stärken effizient zu nutzen.